Vom Sinn und Unsinn einer Gemeinschaft
Im Neuen Testament finden sich zahlreiche Berichte, die von unterschiedlichsten Gemeinden und Gemeinschaften erzählen. Da gibt es die zwölf Jünger um Jesu, die zahlreichen Gemeinden von Jerusalem bis Rom in der Apostelgeschichte und natürlich die Briefe des Paulus an die verschiedenen antiken Städte. Gemeinde wohin man blickt. Und selbst ein Mann wie Johannes der Täufer, der außerhalb der Zivilisation in der Wüste lebte, hatte eine Gruppe von Jüngern bei sich. Da scheint es doch ganz natürlich, ja sogar zwingend logisch, dass wir als Christen heute die alte Tradition der Gemeinde fortführen. Oder etwa nicht?
Schließlich muss man zugeben, dass sich die Zeiten geändert haben. Antike Dorfgemeinschaften, die sich den einzigen Brunnen im Ort teilen, existieren nicht mehr. Wir sind heute selbständiger als jemals zuvor und die persönliche Freiheit ist eine der schönsten Früchte des 21. Jahrhunderts. Ich weiß gut wovon ich rede, schließlich konnte ich mich frei dafür entscheiden ein Jahr lang von Ohmenhausen nach Rom zu gehen, um hier zu studieren. Die eigene Lebensqualität, so scheint es, hängt also sehr stark davon ab, was jeder Einzelne aus seinem Leben und aus seinen Möglichkeiten macht. Die Grenzen eines Ortes, einer Stadt oder eines Landes stellen für uns in Europa keine Schwierigkeiten mehr dar. Durch diese Ungebundenheit ändern sich auch die persönlichen Verpflichtungen. Die eigene Familie und der eigene Beruf stehen nun an erster Stelle. Um das Bild des antiken Dorfes nochmals aufzugreifen: Es ist nicht mehr nötig, gemeinsam mit den Nachbarn den Dorfbrunnen sauber zu halten, um die eigene Existenz zu sichern. Die alltäglichen Pflichten und Aufgaben in Familie und Beruf fordern viel Zeit und Energie. Die kostbare Freizeit für eine Gemeinschaft zu opfern, scheint zu viel des Guten zu sein.
Es gibt jedoch noch einen anderen Aspekt, den man berücksichtigen sollte. Wir müssen uns an dieser Stelle fragen, was denn eigentlich der Sinn einer Gemeinschaft, der Sinn eines CVJM ist? In meinen Augen geht es dabei ganz praktisch um Lebensqualität. Es geht darum, dass wir in unseren Gruppen, bei unseren Festen und Aktionen zusammenkommen und miteinander leben. Zusammen mit vielen anderen Leuten in Ohmenhausen ist es mir klar, dass CVJM auch persönlichen Einsatz und persönliche Anstrengung bedeutet. Es ist mir klar, dass Teile der eigenen Freizeit investiert werden müssen, sei es als Jungscharleiter oder als Grillmeister bei einem Sommerfest. Aber es ist eine Investition, die sich lohnt, die sich absolut lohnt! Je mehr wir uns zurückziehen und je mehr wir unsere Gruppen und Kreise verfallen lassen, desto dramatischer wird das Ergebnis sein. Weniger Gemeinschaft bedeutet nicht mehr individuelle Freiheit! Es bedeutet vor allem Einsamkeit. Es ist ein Unterschied, ob man alleine in seinem Zimmer in eine Trompete bläst oder ob man gemeinsam mit anderen in einem Posaunenchor spielt. Auch könnte man versuchen, alleine Fußball zu spielen. Der Verlust an Lebensfreude und Lebensqualität wäre riesig. CVJM bedeutet, dass wir miteinander leben, statt nur nebeneinander her! CVJM bedeutet, dass viele unterschiedliche Menschen gemeinsam großartige Momente erleben. CVJM bedeutet nicht zuletzt auch, dass wir unseren Glauben mit all seinen Facetten von Freude bis hin zu tiefen Zweifeln mit anderen Menschen erleben und erfahren dürfen. Dafür lohnt es sich, Zeit und Energie zu investieren! Dafür lohnt es sich, neuen Schwung und neue Ideen einzubringen! Dafür lohnt es sich, Verantwortung zu übernehmen und Konflikte auszuhalten! In dieser Hinsicht hat sich seit der Zeit des Paulus nichts verändert.
Ich denke, dass wir durch unseren CVJM gewaltige Chancen und Möglichkeiten haben. Möglichkeiten, unser Leben lebenswert zu gestalten, unseren Glauben zu leben und unsere ganz persönlichen Talente zu entdecken. Lassen wir uns diese Chancen nicht entgehen!
Simon Bandh